Wann man einen Bonsai am Stamm schneidet oder sägt?

Manchmal ist es erforderlich, einen zukünftigen Bonsai zu Beginn oder auch in einem bereits entwickelten Zustand mit radikal anmutenden Massnahmen auf den Weg zu einen besseren Bonsai zu bringen.

Der Bonsai-Anfänger wird nun denken, was schwaffel ich da?

Manche Gestaltungsmethode erfordert einen radikalen Schnitt am Stamm oder den Stämmen um aus einem Findling oder einer Rohpflanze eine harmonischere Pflanze zu gestalten.

Dabei empfindet der Unerfahrene solche Massnahmen oft als stark übertrieben?

Ich muss zugeben, es gehört bei einigen radikalen Rückschnitten schon eine enorme Portion Vorstellungskraft dazu, um sich den späteren Bonsai halbwegs vorstellen zu können.

Aber die Vorstellungskraft und das richtige Einschätzen der Gestaltungsmassnahmen zur rechten Zeit gehören in der Bonsaigstaltung zusammen. Wenn eines von beidem nicht vorhanden ist, wird man kaum einen eindrucksvollen Bonsai gestalten können.

So möchte ich heute mögliche Gründe für einen Schnitt oder in vielen Fälle das absägen eines Stammes betrachten.

Grund 1: ein zu gleichmässig dick gewachsener Stammverlauf

Dieses Thema habe ich bei einer meiner Hainbuchen vorgefunden. Ein toller Wurzelansatz und ein Stamm der danach fast in gleicher Dicke verlief:

Quo vadis Hainbuche

Das sieht leider unatürlich und unharmonisch aus.

Die roten Striche waren angedachte Schnittstellen. Nach intensiver Diskussion hier im Blog, habe ich den Stamm über dem zweiten roten Strick abgesägt:

Spannung auf den Hainbuchen-Ast

Der Winkel der Schale wurde etwas zur Seite geneigt. Der untere Ast nach unten gespannt. Der obere nach oben gespannt.
Im Frühjahr wähle ich einen von drei Neuaustrieben aus, um daraus die neue Baumspitze zu gestalten. Nach einigen Jahren sollte diese langsam aber sicher verdicken und nach oben schlanker werden. Dabei muss man zur rechten die richtigen Zweige auswählen und evtl. in Form schneiden und oder drahten.

Die Schnittstelle habe ich waagerecht geschnitten, da ich noch nicht sicher bin ob ich eventuell etwas Totholz einarbeite. Zwar hat die Hainbuche relativ hartes Holz. Aber mangels Harz verrottet auch dieses Holz ungeschützt über die Jahre. Wenn, dann müsste man die Totholzpartien transparent konservieren. Aber das werde ich vom weiteren Entwicklungsverlauf abhängig machen.

Einfacher wäre es gewesen eine Rohpflanze mit besserer Verjüngung zu kaufen. Aber diese sind meist wertvoller und damit auch teurer.

Wenn ich nur den Stamm verjüngen möchte, hätte ich keinen waagerechten Schnitt gewählt. Ein schräg von oben nach unten verlaufender Schnitt wäre dann besser gewesen. Zwar ergibt dies eine grössere Schnittstelle. Diese kann man aber geschickt auf der Rückseite des Baumes verstecken. Bei leichter schräger Ansicht ist so bereits eine Verschlankung des Baumes sichtbar. Wenn man die Schnittstelle noch einkerbt, vermeidet man eine knubbelige Überwallung durch die neu entstehende Rinde. Wenn man hin und wieder die Ränder der begonnen Überwallungen anritzt, wird diese neu angeregt und wächst schneller zu. Je nach Größe der Schnittstelle und Pflanzenart kann dies nach einem oder auch erst nach vielen Jahren zugewachsen sein.

Grund 2: Verbesserung von grossen Schnittwunden

Wie bereits oben kurz beschrieben, können durch Nachbearbeitung grosse Schnittwunden im Überwallungsprozess optimiert werden.

Bei einem geraden Schnitt überwallt der Baum an der Schnittstelle mit der Bildung neuer Borke die Schnittstelle um sich so vor Bakterien, Schadpilzen … zu schützen. Allerdings kann dieser Prozess, je nach Grösse der Schnittwunde über einige Jahre dauern. Manche Schnittwunde wird man noch nach vielen Jahren erkennen.

Wenn man nach einem Schnitt oder abgesägten Ast oder Stamm die Schnittwunde ubearbeitet lässt, wird sich bei den meisten Bäumen eine wulstige Überwallung bilden. So wie auf den ersten Fotos der oberen Hainbuche am Stamm zu sehen. Dies kann man reduzieren oder sogar vermeiden, indem man die Schnittwunde feiner bearbeitet. Die Schnittwunde mittig nachschneiden oder sägen, sodass eine Mulde entsteht und die verdickte Überwallung darin Platz findet.

Damit die Überwallung neu angeregt wird, kann man hin und wieder den inneren Rand mit einem scharfen Messer anschneiden. Durch die Schnitte an der überwallenden Borke wird ein stärkere Überwallung angeregt.

Für eine saubere und effiziente Bearbeitung sind hierzu scharfe Werkzeuge. Messer, Säge, Knospenzange und Konkavzangen erforderlich.

Grund 3: Verletzungen und Schnittwunden verfeinern

Im Prinzip sind hier meist die gleichen Massnahmen wie im Grund 2 möglich. Bei kleineren Schnittwunden muss eben noch feiner gearbeitet werden. Auch hier bewirkt das Nachschneiden der Überwallungsborke eine schnellere Überwallung.

Grund 4:Totholz gestalten oder bearbeiten

Die Gestaltung und Bearbeitung von Totholz möchte ich fast schon als Spezialdisziplin in der Bonsaigestaltung bezeichnen. Da ich bisher keine eigene praktische Erfahrung darin habe, möchte ich auf die Fachliteratur verweisen. Als Standardwerk kann man hier sicherlich das jüngste Werk von François Jeker Das Totholz unserer Bonsai bezeichnen.

In diesem Werk findet mehr reichliche Informationen und Inspirationen für die Totholzbearbeitung.

Nicht jede Baumart eignet sich dafür. Das Holz von Laubbäumen würde mangels dem konservierenden Harzes, wesentlich schneller verrotten als bei vielen Nadelbäumen. So sieht man auch überwiegend Nadelbäume mit Totholz gestaltet. Vereinzelt gibt es aber auch bei Laubbäumen Totholzbereiche. Diese sollte man allerdings vor der weiteren Zersetzung durch Sonne und Regen schützen. Hierzu gibt es im Fachhandel entsprechende Schutzmittel die transparent und meist auch desinfizierend wirken.

Grund 5: Erkrankung von Ästen oder Stammbereichen

Leider gibt es auch manche Pflanzenkrankheit, die bei einem Befall auch nicht mehr mit der chemischen Keule erfolgreich bekämpft werden kann. Manche Schadbakterien oder Schadpilze sollte man entsorgen. Ein solcher ist der Birnengitterrost, der auch manche Wacholderarten befallen kann. Um eine weitere Vermehrung zu unterbinden ist es sicherer, wenn der befallen Pflanzenteil entfernt und entsorgt. Auf keine Fall auf den Kompost, da er sich von dort über seine Sporen weiter verbreiten könnte. Wie weit man diesen Verlust in einer Neugestaltung berücksichtigen kann, wird vom Einzelfall abhängen.

Wie man sieht kann es alleine für den Stamm einer Pflanze vielfältige Gründe für eine Bearbeitung mit Schneidwerkzeugen geben. In den meisten Fällen wird man solch meist groben Bearbeitungsschritte in der Grundgestaltung eines zukünftigen Bonsai anwenden. Damit wird eine Pflanze auf den Weg zum zukünftigen Bonsai gebracht.

Aber auch manche Erkrankung oder ein Unfall kann die Ursache sein. Das sollte man allerdings nicht als Schaden ansehen, sondern versuchen daraus etwas Neues zu gestalten. Schliesslich sieht auch in der Natur kein Baum jedes Jahre genauso wie im Vorjahr aus.

Wann man solche Gestaltungen macht ist von der Pflanze, der Jahreszeit und der Gesundheit einer Pflanze abhängig. Viele Laubbäume lassen sich im Spätwinter – Frühjahr am besten schneiden. Bei manchen Arten ist allerdings danach ein Schutz vor Kälte erforderlich. Manche Bäume, wie der Fächerahorn haben im Frühjahr einen starken Saftfluss, was bei grossen Schnittwunden zum aubluten führen kann. Vor grossen Schnittmassnahmen sollten immer die Eigenschaften einer Pflanzenart berücksichtigt werden. Abweichungen davon machen meist nur Sinn um eine Pflanze bei einem krankhaften Befall zu retten.

Fallen euch noch Möglichkeiten für die Bearbeitung eines Stammes ein?

6 Comments

  1. heinz 7. März 2013
  2. Malte 28. März 2014
  3. Bernd Schmidt 28. März 2014
  4. Malte 1. April 2014
  5. Jörg 11. März 2019
  6. Bernd Schmidt 21. März 2019

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