Grundwissen über die Kerzen einer Kiefer – Teil 1

Liebe Bonsaifreunde,

durch Glück bin ich günstig an eine Bergkiefer (Pinus mugo) gekommen und ich möchte Euch zeigen, wie ich die Weitergestaltung (Teil 2) angegangen bin und die Verfeinerung plane.

Kiefern sind einer der am schwierigsten und zeitaufwändigsten zu gestaltenden Bonsai, da auf jeden Ast und Zweig individuell eingegangen werden muss. Bei Laubbäumen ist es auch mal möglich, schnell die Silhouette durch „drumherum schneiden“ anzupassen.

Nicht bei Kiefern:
Jede einzelne Kerze, der Austrieb der Kiefern, muss im Frühjahr einzeln bearbeitet werden um die Grundstruktur zu gestalten oder zu erhalten. Hierzu ist eine spezielle Technik, das Abdrehen, zu erlernen. Einen halben bis einen Zentimeter der Kerze sollte für eine feine Verzweigung am Zweig belassen werden. Die abzudrehende Stelle wird ein wenig geknickt und dann durch sachtes Drehen abgenommen. Ich benutze beide Hände dazu. Eine Hand zum Knicken und festhalten, eine zum Abdrehen. Das bedarf einiger Übung, um nicht die ganze Kerze abzunehmen. Ich konnte zum Glück an großen Gartenbonsai üben, die Gefühlte 20.000 Kerzen hatten! Beschädigt man beim Abdrehen der Kerzen die Nadeln des Neuaustriebes, werden diese nach der Entwicklung unansehnlich braun. Lässt man zuviel Kerzenwachstum zu, stimmen die Internodien nicht mehr, sie werden zu lang. Dann ist auch ein Abdrehen nicht mehr ohne weiteres machbar, da die sich entfaltenden Nadeln das Abdrehen erschweren. Es ist hier aber noch möglich, mit der Scherenspitze Kürzungen vorzunehmen.

Wird die Blüte an den Kerzen belassen, entwickeln sich nach dem Pollenabstoß keine Nadeln an der Stelle, ein unansehnliches kahles Stück ist die Folge:

Kiefernkerze

Auch hier wird nur 0,5 – 1 cm stehen gelassen. Hier sieht man, wie kahl die Kerze nach der Blütenbildung ist. Nur oben werden sich Nadeln entwickeln; für Bonsai ist dies nicht brauchbar.

Kiefernkerze mit Langtrieb

Eine zu lange Kerze, links unten eine vorher korrekt gebrochene zum Vergleich:

kurz gebrochene Kiefernkerze

Mit der Scherenspitze kann, entgegen anderer Behauptungen, generell auch gearbeitet werden, wenn keine neuen Nadeln mit abgeschnitten werden. Gerade bei lang gewachsenen Nadelbüscheln ist das zu empfehlen. Noch besser ist es, die Schere fast parallel zur Kerze zu führen, von oben zu kommen, zwischen und an den Nadelbüscheln vorbei.

Kiefernkerze mit Schere schneiden

Die fertige Kerze, an der Schnittstelle werden neue Knospen entstehen.

Kiefernkerze mit neuen Knospen

Bei Kiefern ist es nicht ohne Weiteres möglich, in das alte Holz zurückzuschneiden – um Fehler zu korrigieren oder Teile neu zu gestalten – da sie wählerisch und unkontrolliert mit neuem Austrieb sind.

Eine Methode, welche ich hier auch anwende, ist, Äste nach unten zu drahten, um weiter innen Neuaustrieb anzuregen. Biegt man zu weit und beeinflusst den Saftfluss zu arg, stirbt der Ast, biegt man zu wenig, scheitert die Rückknospung.

Bei vielen apikal dominanten Spezies werden herunter gezogene Äste abgeworfen, da der Baum das Ziel hat, nach oben zu wachsen. Schneidet man einen Laubbaum ins alte Holz zurück, kann man den Austrieb bei gesunden Pflanzen fast mit Sicherheit erwarten. Kiefern sind da eigen. Es kann passieren, dass ganze Äste absterben, nur weil man die Spitzen eines Zweiges abgeschnitten oder die Kerzen komplett abgedreht hat.

Umgekehrt kann eine Zweigspitze zu viele Knospen an einer Stelle entwickeln. Dann muss entschieden werden, welche Knospen erhalten, welche abgedreht werden sollen. Dies kann man anhand des Winkels und der vertikalen Position bestimmen. Mehr als 2 Knospen werden selten benötigt. Man sollte wissen, in welche Richtung die Gestaltung gehen soll.

Hervorzuheben ist aber, dass eingerissene Äste oft durch energisches Zusammenbinden wieder Zusammenwachsen!

Ich möchte hier keinesfalls Angst vor Kiefern erzeugen, für mich sind es die interessantesten und schönsten Bonsai, obwohl sie so unscheinbar wirken oder noch nicht einmal „richtig“ Blühen. Es ist die Einfachheit, die ich an ihnen schätze. Der, hat man die Grundtechniken drauf, eigentlich geringe Pflegeaufwand und, verglichen mit anderen heimischen Bäumen, die Individualität, sei es das spezielle Wachstum durch die Kerzen oder die Tatsache, dass der Baum eine Symbiose mit Mikorrhyza eingehen muss, um zu überleben. Kiefern kommen an den extremsten Orten vor und schaffen es hier, Jahrhunderte zu überdauern.

Soviel über die Grundlagen der Kiefernkerzen und deren Bearbeitung für die Bonsaigestaltung.
Im nächsten Teil zeige ich euch wie ich eine Bergkiefer feiner gestaltet habe.

5 Comments

  1. Bernd 5. Juli 2012
  2. André 5. Juli 2012
  3. Bernd 6. Juli 2012
  4. Hartung,Andreas 19. April 2015
  5. Bernd Schmidt 19. April 2015

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