Bonsais als „Märchenform“ gestaltet

Vielen von euch werden die klassischen Stilformen der Bonsaigestaltung bekannt sein?

Angefangen von den ganz klassischen, wie der frei aufrechten Form, zur windgepeitschten, bis hin zum Literatenstil. Fast alle davon haben natürliche Wuchsformen als Vorbild gewählt, um den Bonsai im Alter wie einen mächtigen Baum wirken zu lassen, welcher die Unbilden der Zeit überstanden hat und durch seine knorrige Form eine gewisse Aura besitzt.

Nun ist die Bonsaigestaltung auch eine Kunstform, welche dem Wandel der Zeit unterliegt und so treten mittlerweile auch andere Formen der Gestaltung auf, welche weniger mit den in der Natur zu findenden Wuchsformen gemeinsam haben, sondern eher auf die Faszination der Gesamterscheinung wert legen.

Im klassischen Sinne wurde dieser Wunsch nach Einzigartigkeit mit dem Literatenstil abgedeckt, bei welchem der Bonsai als Kanji gestaltet wurde, einem der vielen tausend Zeichen der chinesischen Symbolschrift.

In der heutigen Zeit hingegen ist immer häufiger etwas zu finden, was ich, in Ermangelung an Alternativen, als „Märchenform“ bezeichnen möchte. Ziel ist es hierbei, den Bonsai durch verschiedene Gestaltungsmittel, wie Fräsen, Schnitzen, Drahten etc. eine Optik zu verleihen, welche eher an ein modernes Kunstwerk oder an Bilder aus einem klassischen grimmschen Märchen erinnert.

Dabei sollen der Phantasie keine Grenzen gesetzt sein. So bin ich in meinen Internetrecherchen auf eher einfachere Möglichkeiten getroffen, bei welcher der Bonsai im Stil der Felsenform seine Wurzeln um bzw. über eine Figur wachsen lässt, über Fräse- und Schnitzarbeiten, bei welcher dem Bonsai Gesichter, Hände o.ä. verliehen wurden, bis hin dazu, daß der gesamte Bonsai wie ein Werk aus einem Gemälde von Dali erschien oder aber wie ein Ent aus Herr der Ringe.

Inspiriert von dieser Form der Gestaltung musste meine kleine Experimental-Hainbuche, an welcher ich schon die Möglichkeiten von radikalem Stamm-, Ast- und Wurzelrückschnitt erprobt hatte, zur ersten Gestaltung in einer „Märchenform“ herhalten.

Märchenbuche vorher

Ein wenig optisch verstümmelt als Lernobjekt sah dieser kleine Baum so oder so nicht wirklich überzeugend für eine Gestaltung zum Bonsai aus, wie auf dem Bild zu erkennen ist.

Einzig wirklich faszinierend war für mich, daß dieser Baum trotz Verlust von über 90% der Wurzelmasse und 100% der Äste, so wie 70 % des Stamms trotzdem noch über den Sommer neu ausgetrieben hat.

Besonders zu beachten ist dabei auch, daß keinerlei Maßnahme ergriffen wurde, die Wunden zu verschließen oder den Baum in sonst irgendeiner Form vor den Unbilden der Natur geschweige denn vor denen meines Hundes zu schützen, welcher sehr fasziniert davon war, warum ich den ein Stöckchen in die Erde Pflanze und diesen auch so manches mal wieder aus selbiger entfernte…

Zu sehen sind diese nicht vorhandenen Schutzmaßnahmen besonders am oberen Endes des Baumes, welcher eintrocknete, rissig wurde und einen leichten Schimmelbefall erhielt.

Märchenbuche Kopfende

Aber wie vorher schon gesagt, es handelt sich hierbei um eine Experimentalpflanze, bei welcher ich die Grenzen des Machbaren erst einmal ausloten wollte. Bisher habe ich diese allerdings noch nicht entdecken können.

Nun gut, kommen wir zur Erstgestaltung. Als Vorbild habe ich mir eine Optik gewählt, welche mehr in den Horrorbereich reicht.

Inspiration erhielt ich dabei von verschiedenen Horrorzeichnungen, Bildern von Teufeln und nicht zuletzt von Edvard Munchs´ „Der Schrei“.

Noch nie ein erfolgreiches Schnitzwerk zustande gebracht, machte ich mich nun mit speziellen Schnitzwerkzeug, ein wenig groben Sandpapier und einem elektrischen Nagelschleifer als improvisiertes Werkzeug an die Arbeit, ohne den wirklichen Glauben an Erfolg.

An den Stellen, welche nicht direkt von Ästen umringt waren, wurde die Rinde entfernt, in einer möglichst kruden Form. Anschließend wurde bis tief in das Xylem die groben Grundformen des Gesichts, welches meine Hainbuche von nun an zieren sollte, geschnitzt, gehobelt und später zur Verfeinerung noch mit dem Nagelschleifer und Sandpapier geschliffen. Alles in allem war dieses für die Hainbuche sicherlich eine große Tortur, doch das Ergebnis kann sich meines Erachtens nach sehen lassen.

Märchenbuche nachher

Zur optisch besseren Darstellung habe ich den Bereich des Gesichtes mit stark verdünnter Acrylfarbe auf Wasserbasis noch einmal überstrichen.

Zur Sicherheit wurde alles im Nachhinein allerdings noch einmal mit Wundbalsam verschlossen und vorher der Schimmel entfernt, da ich mein Glück doch nicht zu sehr herausfordern wollte. Das Bild selber wurde, da ich leider keine all zu gute Kamera besitze, noch einmal mit PhotoFilter nachbearbeitet.

In den nächsten Tagen wird die Hainbuche dann noch einmal in einen größeren Teichtopf, mit besserem Substrat gesetzt. Im nächsten Jahr soll dann noch ein Abmoosen erfolgen, zur Verbesserung des Nebari. Mal sehen, wie die Entwicklung nun die nächsten Jahre voranschreiten wird. Ich persönlich bin mit dem ersten Ergebnis schon recht zufrieden und gespannt, wie mein „Endprodukt“ aussehen wird?

3 Comments

  1. Bernd 23. Oktober 2011
  2. Vincent 23. Oktober 2011
  3. Bernd 25. Oktober 2011

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