Vor ein paar Tagen habe ich meine Gestaltungs-Überlegungen über eine zweistämmige Hainbuche in einem Artikel veröffentlicht.
Einen weiteren Rohling den ich vor 1 1/2 Jahren als 12 jährigen Rohling im Bonsaigarten Linda gekauft habe bereitet mir wesentlich mehr Kopfzerbrechen.
Irgendwie kann ich mich für keine Gestaltungsidee richtig durchringen?
Mir kommen bei diesen Baum meist nur die negativen Dinge in den Sinn. Irgendwie sind dann weitere gestalterische Möglichkeiten blockiert oder erscheinen mir dann doch zu extrem? Da könnte aber auch noch an meiner Unerfahrenheit mancher Gestaltungstechniken liegen.
Aber schaut euch erst mal den Baum im Spätwinter im unbelaubten Zustand an:
Und da sind sie schön die häßlichen Argumente, die mich von einer Gestaltungsentscheidung abhalten. Auf dieser Seite hat es zuviele dicke Schnittstellen. Ein absolutes no go nach japanischer Ansicht. In Europa könnte man sich rausreden und sagen, der Baum hat in seinem Leben schon viel erlebt und mitgemacht. Aber dazu sind es zuviele ehemalige Äste. Scheint ein Nachteil bei manchem Rohling aus mehrjähriger Feldkultur zu sein? Na ja, ich hätte auch ein besseres Rohmaterial aussuchen können. Ich war wohl zu sehr auf das Nebari fixiert?
Aber auch die Verjüngung des Stammes zeigt kein Bonsaipotential. Und das obere Drittel sieht von dieser Seite auch nicht so toll aus.
Die extreme Biegung im oberen Drittel des Stammes gefällt mir überhaupt nicht. Zumindest kann ich damit derzeit nichts anfangen.
Am wenigsten optische Mängel zeigt der Baum für mich von dieser Seite. Deswegen nenne ich sie mal die vorläufige Vorderseite. Das muß sie aber nicht bleiben?
Das Nebari gefällt mir von dieser Seite am besten. Allerdings habe ich in diesem Frühjahr bemerkt, daß es in der Mitte eine Lücke in Form eines Loches gibt. Dies war mir beim Kauf und selbst beim ersten eintopfen nicht aufgefallen, da es mit hartem Lehm ausgefüllt war. Die Muttererde war in der selben Tönung wie der Stammansatz. Also sehr gut getarnt. Aber das kann ja noch zuwachsen. Nähres wird ein Umtopfen in ein oder zwei Jahren ergeben.
Gestaltungsmöglickeiten für diese Hainbuche?
Erst mal ein aktuelleres Foto, das etwa zwei Wochen alt ist:
Bonsaigestaltung #1
Links unten am grünen Pfeil fehlt ein Ast. Auch rechts oben über den dicken unteren Ast fehlt ein Ast. Diese könnte man durch eine Astpfopfung in den nächsten zwei Jahren einfügen.
Die Stammverjüngung wird dadurch allerdings weiterhin unzureichend bleiben. Sicherlich die einfachste Möglichkeit aber sicherlich auch die langweiligste. Zumindest würde sie mir nicht wirklich gefallen. Der Baum wäre dann frei aufrecht gestaltet. Sozusagen einer von sehr vielen. Eine richtige Persönlichkeit oder Geschichte und Ausdruckskraft des Baumes wäre zu schwach ausgeprägt?
Bonsaigestaltung #2
Abmoosen am oberen roten Strich um vom oberen Bereich einen Shohin zu gewinnen. Nach dem Abmoosen könnte man den Baum auf Höhe des unteren roten Striches absägen und daraus eine Besenförmige Gestaltung neu aufbauen. Dabei denke ich an drei Hauptstämme. Einer rechts, einer links und der dritte in der Mitte dahinter. Um dies besser steuern zu können wären drei Astpfröpflinge die an der Stammschnittstelle ins angeschnitte Kambium gesteckt werden (Stecklinge vorher anschneiden). Sobald der Saftstrom fließt, können die Stecklinge an Wachstum loslegen. Dadurch müßte man sich nicht auf zufällige Knospen an der Schnittstelle verlassen und man würde beim Neuaufbau bis zu einem Jahr Zeit einsparen.
Bonsaigestaltung #3
Den oberen Bereich Abmoosen um einen Shohin daraus zu gewinnen.
Danach wird am mittleren roten Strich der Baum abgesägt. Der Stamm wird etwas nach rechts geneigt, sodaß der untere Bereich gerade nach oben zeigt und er obere sich nach rechts neigt. Der dicke Ast kann dann für eine Halbkaskade verfeinert werden. Das Nebari wirkt an diesem Baum von dieser Seite am besten und macht eine kräftigen Eindruck.
Wenn sich nach dem Eingriff an der Schnittstelle neue Triebe gebildet haben, werden diese vereinzelt auch für eine Gegengewicht in der Belaubung eingesetzt. Sobald der Baum solch ein Stadium erreich hat, könnte auf der Vorderseite ein Shari den Gesamteindruck noch verstärken. Der Baum würde ein vom Blitz oder Unwetter gezeichnetes Unikum darstellen.
Vorläufige Analyse
Variante #1 gefällt mir am wenigsten, deswegen werde ich sie wohl nicht umsetzen.
Variante #2 war über den Winter mein Favorit. Da ich möglichst wenig dem Zufall überlassen möchte bräuchte ich hierzu ein paar Jungpflanzen, damit ich die neuen Äste anpfropfen könnte. Zudem wäre ein Neuaufbau sicherlich ein längerer Weg. Da ich nicht zu den geduldigen Bonsaigestaltern gehöre, werde ich wohl diesen Weg auch nicht wählen.
Variante #3 erscheint mir der beste Kompromiss bei diesem Baum zu sein. Zum einen werde ich meine erste Erfahrung beim Abmoosen sammeln. Wenn alles funktioniert gewinne ich daraus zwei Pflanzen 😉
Und die Halbkaskade mit Totholzbereich erscheint mir dem Baum am meisten Ausdruckskraft zu geben?
Was würdet ihr aus dieser Hainbuche gestalten?
Vorschläge sind willkommen!
Hallo Bernd,
noch bevor ich deinen Vorschlag #3 gelesen hatte, hatte ich spontan den gleichen Gedanken. Ich finde das Nebari klasse, und der rechte Ast hat doch was. Einzig schade, dass das Nebari beim Neigen nach rechts etwas verdeckt würde.
@ Matthias
Variante drei ist sicher die beste für den Baum.
Das Nebari kann man durch die Neigung etwas höher setzen. Da gibt es noch etwas Spielraum im Subtrat. Allerdings könnte dann das Loch in der Mitte sichtbar werden. Aber da finde ich auch eine Lösung.
Leider treibt der Baum in diesem Frühjahr relativ zögerlich aus. Deswegen habe ich das Abmoosen noch nicht begonnen. Sobald er kräftiger ausgetrieben habe werde ich mit dem Abmoosen beginnen.
Ich hoffe es gelingt 😉
Schönen Tag!
Bernd
Wegen des Lochs: Geht vielleicht eine Wurzelablaktion mit einer benachbarten Wurzel? Ist jedenfalls schneller als Abmoosen und jahrelang auf dicke Wurzeln warten…
@ Matthias
Schaun wir mal beim nächsten Umtopfen.
Das wird durch das Abmoosen sowieso erst in ein oder zwei Jahren der Fall sein.
Bis dahin kann sich der Zwischenraum durch das Dickenwachstum ja auch verkleinert haben?
Ich werde auch in diesem Sommer versuchen ein paar Stecklinge zu gewinnen. Habe ja mehrere Hainbuchen. Falls dies gelingt, hätte ich ja mögliches Pflanzenmaterial zum verbessern der Lücke.
Schönen Tag
Bernd
Hallo Bernd,
Variante 3 ist wohl die logischste Möglichkeit. Die Spitze des Baumes finde ich nicht sehr ansehlich und könnte daher als Abmoosübung herhalten. Ob man dann einen Shohin daraus machen kann, wird die Zukunft zeigen, das liegt dann ganz an der Verjüngung zur Spitze hin und der Bearbeitung oder Heilung der Schnittwunde. Und viele Äste für weitere Gestaltungsvariationen hast Du da nicht mehr dran.
Da der Wurzelansatz in dieser Ansicht rechts dicker ist als links, stützt er den Baum in der späteren Kaskadenform perfekt, wie in der Natur an Felsüberhängen und Steigungen. Du könntest darauf achten, einiges beim Absägen des Stammes übrig zu lassen, um Verwitterungseindrücke gestalten zu können! Also viel weiter oben als der 2. Strich ansetzen. Somit verhinderst du häßliche Schnittwunden.
Ich glaube es ist ratsam, jetzt schonmal den Hauptast so zu drahten, daß schonmal ein Eindruck der gewünschten Kaskadenform entstehen kann. Ein weiterer Vorteil ist, daß Du während des Abmossens schon die Form der späteren Spitze erreichst und Zeit sparst.
Welche Art Zange benutzt Du eigentlich, um die Äste zu entfernen?
schöne Grüße
André
@ Andrè
Kommt auf die Astdicke an. Für dünne junge Äste bentutze ich meist eine Bonsaischere.
Für dickere bzw. stärker verholzte Äste verwende ich eine Konkavzange.
Der Hinweis, den Ast jetzt schon in Form zu bringen werde ich am Wochenende in Angriff nehmen. Sind übrigens zwei Äste. Den zweiten sieht man allerdings perspektivisch kaum. Beide sind auf gleicher Höhe und gabeln sich kurz vom Stamm. Ob die noch drahtbar sind, bezweifel ich, da diese bereits recht dick und hart sind. Zur Not werde ich sie herunter spannen und im schlimmsten Fall im Folgejahr kräftig zurück schneiden.
Mal sehen was da geht.
Mit dem Beginn des Abmoosens warte ich noch bis Juni. Habe gelesen, daß dies bei Hainbuchen die beste Zeit sein soll, wenn der Johannisaustrieb beendet ist.
liebe Grüße
Bernd
@Bernd
auf einem Bild sieht man es, 2 Äste 🙂
Konkavzange ist richtig, dann wundert es mich, daß die uneren Äste aussehen wie, entschuldige den Ausdruck, Mondkrater.
Setzt Du die Konkavzange direkt am Stamm an?
Und im 90 Grad Winkel zum Stamm? Den Griff also so, wie die roten Striche oben sind?
So würdest du eigentlich fast ebene Schnittwunden erzeugen und den Stamm nur da verletzen, wo es nötig ist. Ich schaue mir nochmal die Buchen in meinem Lieblingsladen an, denen starke Äste entfernt wurden, ich glaube nämlich, daß diese nicht so stark überwallen. Vielelicht irre ich mich auch, aber keiner der Bäume die ich kenne, haben solche prägenden Schnittwunden. Oder es überwallt wirklich so stark. Hmmmmm….
So stark brauchst du dann auch die Äste nicht zurückschneiden, Du willst ja irgendwann eine feine Verzweigung haben, also vielleicht erstmal die ersten Jahre immer nach dem 2-3 Blatt pinzieren, sonst kommt die Verzweigung nicht voran und du trampelst auf der Stelle.
leiebe Grüße
André
@ André
die unteren Äste sind nicht von mir entfernt worden. Die Schnittwunden waren beim Kauf schon vorhanden. Stammen also von der zwölfjährigen Feldkultur. Wie bereits erwähnt ist nicht nur das Dickenwachstum bei Feldkultur schneller. Durch das regelmäßige zurückschneiden entstehen auch zahlreich neue Sproße und Äste. Und wenn die dann als Opferäste irgendwann entfernt werden, gibt es wohl so große Schnittwunden die man noch viele Jahre sehen kann.
Wenn ich einen Ast am Stamm mit der Konkavzange entfere, setze ich die Zwingen immer in Richtung des Stammes an. Dadurch ergibt sich durch die Konkavzange eine leichte Mulde in der Mitte der Schnittstelle. Dadurch wird die Überwallung relativ glatt. Bei größeren Schnittstellen, bearbeite ich die Schnittkanten noch mit einem Messer nach. Dort ebne ich den Schnitt, sodaß er mit der Rinde eben ist. So kann die Überwallung in die Wunde wachsen. Bei Größeren Schnittwunden, ritze ich ein oder zweimal im Jahr die innere Überwallungsborke mit einem Messer an, damit das Wachstum der Überwallung stärker angeregt wird. Hat bisher immer sehr gut funktioniert.
Aber Hainbuchen haben bei großen Wunden eine sehr kräftige Überwallung. Die obere schräge Schnittwunde an der Spitze ist von mir. Die ist gerade ein Jahr alt und fast schon komplett überwallt. Noch sieht man sie. Aber in ein oder zwei Jahren dürfte auch diese kaum noch als Schnittstelle erkennbar sein.
Abmoosen im Juni ist Quatsch. Habe noch einmal nachgelesen. Für Stecklinge ist nach dem Johannisaustrieb bei Hainbuchen eine erfolgsversprechende Phase, da der Saftfluß geringer ist.
Ich denke das Abmoosen werde ich in den nächsten Tagen vorbereiten.
Schönen Feiertag!
Bernd
@Bernd
danke für die Infos 🙂 Wieder was gelernt
Auch ´nen schönen Feiertag!